Wie ein Dresdner Paul McCartney im Abbey Road Studio traf
Dresden. Dass er einmal die Nadel im Heuhaufen sein würde, hätte sich Christian David Rheber sicher nie vorgestellt. Doch als ihn Ende 2021 eine Mail in seinem Postfach überraschte, war klar: Er wurde gefunden - von zwei Musikern, die jedes Jahr vor Zehntausend Konzertbesuchern weltweit auftreten: Jan Pascal und Alexander Kilian, bekannt als Café del Mundo.
Das Gitarren-Duo war auf die Suche nach einem speziellen Arrangeur für Orchester gegangen und hatte sich durch die Weiten des Internets geforstet. Ihre Klicks führten sie zu einem Studio in der Dresdner Neustadt, wo Rheber seit vielen Jahren eigene Musik produziert, aber auch Filmmusiken komponiert und Arrangements für größere Klangkörper schreibt. Für ein beeindruckendes Projekt brauchten Jan Pascal und Alexander Kilian einen Fachmann, der ihre Lieder spielbar von einem berühmten Orchester macht.
Das bedeutet: Was bisher von zwei Gitarren zu hören ist, musste in diesem Fall auf 63 einzelne Instrumente - Streicher, Holzblasinstrumente, Blechblasinstrumente, Schlagwerke, Hörner plus Celesta und Harfe - aufgeteilt werden. "Darin besteht die Arbeit eines Arrangeurs", sagt Christian David Rheber, "er schreibt auf der Grundlage der vorgegebenen Melodie und Harmonie für jedes Orchesterinstrument eine individuelle Stimme, sodass der Klang im Zusammenspiel möglichst homogen und spannend ist".
Café del Mundo hatte den Traum, ihre Titel mit keinem Geringeren als dem Royal Philharmonic Orchestra London einspielen zu lassen. Nach einigen Absprachen am Telefon schickten die Musiker ein ausgewähltes Instrumentalstück nach Dresden, und Rheber machte sich an die Arbeit. "Ich habe zehn Tage dafür gebraucht, die einzelnen Stimmen zu schreiben", sagt er. Das tut er nicht mit Bleistift oder Tinte auf Notenpapier, sondern mithilfe eines besonderen Computerprogramms, das Ton, aber auch Noten darstellen kann.
"Wir haben Tränen in den Augen"
Als Jan Pascal und Alexander Kilian das Ergebnis hörten, waren sie begeistert. Ihr Feedback fiel beinah euphorisch aus: "Es wirkt auf uns wie ein sattes Ölgemälde zu einer monochromen Zeichnung. Wir haben Tränen in den Augen!" Damit war der Weg gebahnt für eine lange und tiefe Zusammenarbeit. "Im April 2022 haben mich die beiden in Dresden besucht, wir haben zusammen gearbeitet, weitere Titel ausgewählt, und sie haben mir all ihre Musik auf CDs überlassen", erzählt Rheber.
Gelernt hat der Pianist und Komponist sein künstlerisches Handwerk von der Pike auf. Ab 2005 studierte er Komposition und Musiktheorie mit Hauptfach Klavier an der Dresdner Musikhochschule. Die Dresdner Philharmonie spielte seine Abschlussarbeit. Im Anschluss an sein Studium unterrichtete der heute 42-Jährige Arrangement als Dozent und entschied sich schließlich dennoch gegen eine akademische Laufbahn. Stattdessen machte er sich vor gut zehn Jahren selbstständig, gab Klavierunterricht, schrieb Musik für Film, Musical, Theater und andere Kunstprojekte sowie für Orchester.
Zuletzt hatte er für die Vogtland Philharmonie das Konzertprogramm "Sounds of Hollywood" geschrieben. "Das war eine sehr dankbare Vorerfahrung für das, was ich nun für Café del Mundo und das London Philharmonic Orchestra tun durfte." Das Orchester hatten die beiden Musiker für zwei Tage zu jeweils sechs Stunden gebucht. In dieser Zeit mussten alle zwölf Titel, die künftig auf dem neuen Album "Café del Mundo Symphonic" zu hören sein werden, eingespielt sein - ein ebenso stattliches wie kostenintensives Vorhaben für das Flamenco-Duo, das ihr Herzensprojekt komplett selbst finanzierte. Doch mit den Londoner Kollegen und Christian David Rheber waren sie auf der sichersten Seite.
Wow, ein richtiger Beatle!
"Es ist wirklich ein Ausnahmeorchester", sagt er. Was nicht jeder Instrumentalist kann, ist für diese selbstverständlich: Sie spielen vom Blatt ab und brauchen kaum Zeit, um ein Stück einzustudieren. Für jeden Musiker ließ Café del Mundo eine Art Buch drucken: die Noten ihrer Stimme zu allen zwölf Stücken.
Und weil in diesem Projekt alles in höchster Liga spielen sollte, mietete Café del Mundo das legendäre Abbey Road Studio an, in dem schon die Beatles ihre Songs aufgenommen haben und es somit weltberühmt machten. Für Christian Rheber war allein das eine wunderbare Erfahrung, die tatsächlich noch getoppt wurde, dank eines fast unglaublichen Zufalls.
"Als wir im Studio arbeiteten, kam ich in den Aufnahmeraum, und meine Kollegen sagten mir, Paul McCartney habe gerade reingeschaut", erzählt er. Die Chance, ihn leibhaftig zu treffen, konnte er sich nicht entgehen lassen. "Ich bin raus auf den Gang gerannt, um ihn noch zu sehen und konnte ihn tatsächlich einholen." Ohne eine Sekunde zu hadern, streckte er dem Star die Hand hin und stellte sich auf Englisch vor: "Ich bin Christian David Rheber und habe die Arrangements geschrieben." Daraus entstand ein kleiner Smalltalk, währenddessen ihm durch den Kopf schoss: Wow, ein richtiger Beatle!
Auch mit Andrew Dudman zu arbeiten, war für ihn ein großartiges Erlebnis. Der Chef-Tonmeister des Abbey Road Studios hat gerade einen Oscar für "Im Westen nichts Neues" gewonnen. Voller Eindrücke kam Christian David Rheber nun aus London zurück. Für den 15. Mai dieses Jahres ist die digitale Veröffentlichung des Albums auf der Website des Gitarren-Duos geplant und am 15. September soll es auch auf Vinyl erscheinen. Eine Hörprobe haben sie schon bereitgestellt unter cafedelmundo.de.